AUSSTELLUNGSDAUER
23.10.–24.11.2024
ERÖFFNUNG
22.10.2024 | 18–22 Uhr
(Eintritt frei)
BEGRÜSSUNG | 19 Uhr
Alexander Steig (Vorstandsvorsitzender BBK München und Oberbayern)
EINFÜHRUNG
Dr. Cornelia Oßwald-Hoffmann, Vorsitz Art5 e. V.
ÖFFNUNGSZEITEN
Mi, Fr–So | 11–18 Uhr
Do | 13–20 Uhr, Fei geschlossen
KÜNSTLER:INNEN
Jeong a Bang | Eunju Hong | Miji Ih | Hyesun Jung | Jungyeob Jung | Jane-Jin Kaisen | Seulki Ki | Siyoung Kim | Yukiko Nagakura | Fumie Ogura | Mio Okido | Yoshiko Shimada | Haha Wang | Jianling Zhang
KURATION
Dr. Cornelia Oßwald-Hoffmann (Art5)
Alexander Steig (Art5)
Jae-Hyun Yoo (Art5)
AUSSTELLUNGSORGANISATION
Helena Held (BBK München und Oberbayern)
GALERIE DER KÜNSTLER*INNEN
Maximilianstraße 42
80538 München
BBK München und Oberbayern
https://bbk-muc-obb.de/
Auf den Straßen von Akihabara, der Hochburg der Anime- und Manga-Tradition in Tokio, stehen junge Frauen in ihren Cosplay- und Schulmädchenkostümen und werben mehrheitlich männliche Passanten für den Besuch eines sog. Maid Café́. Diese Verkleidung scheint Japaner wie auch Touristen zu stimulieren – Erscheinungsbild und devote Bedienung der Gaste bilden visuell einen fließenden Übergang zur Inszenierungsform der panasiatischen Erotik- bzw. Pornoindustrie.
Wie konnte sich das Bild der Frau als verfügbare Ware im „öffentlichen Dienstleistungssektor“, hier: Gastronomie, manifestieren und durchsetzen? Die Ursachen lassen sich in den verkrusteten patriarchalen Strukturen, dem tradierten Frauenbild allgemein aber auch der kollektiv verdrängten und auch heute noch vor allem in Japan negierten Geschichte der massenhaften Versklavung und Zwangsprostitution von Frauen als Kriegsware (den sogenannten „comfort women“ der eroberten und besetzten Länder des Asien-Pazifik-Krieges) suchen.
So sagte z. B. der Kamerahersteller Nikon 2012 kurzfristig und ohne Angabe von Gründen die geplante Ausstellung von 40 Fotografien aus der „comfort women“-Serie des südkoreanischen Fotografen Sehong Ahn ab und verweigert damit, wie so oft vorher und nachher und bis heute, aus Angst vor gesellschaftspolitischen Folgen, einem der dunkelsten Kapitel der japanischen Geschichte seine Sichtbarkeit. Im selben Jahr beginnt die japanische Künstlerin Yoshiko Shimada ihre Performancereihe „Being a Statue of a Japanese Comfort Woman“ an verschiedenen politisch brisanten Orten wie z.B. der japanischen Botschaft in London. Formal bezogen auf die „Statue of Peace“, die das südkoreanischen Künstler:innenduo Seokyung Kim und Unsung Kim am 14. Dezember 2011 vor der japanischen Botschaft in Seoul errichtete, gemahnt Frau Shimada als lebende Statue an das nicht zu tolerierende Defizit im öffentlichen Umgang mit diesem Thema. Heute 2023 ist diese Statue wieder und wieder weltweit gezeigt zu einer Art Symbol für kriegsbedingte Femizide geworden.
Dieser kaum zu führende Diskurs über die „Trostfrauen“ veranschaulicht die generelle Problematik, der norostasiatischen Künstlerinnen, die einem patriarchalen, konservativ geprägten Umfeld ausgesetzt sind, das die soziale und politische Stellung von Frauen herabsetzt und ihre Rechte – zwar nicht formal juristisch, aber dennoch faktisch gelebt – einschränkt. Wie schon der Umgang mit den Arbeiten der kürzlich verstorbenen Tomiyama Taeko (J) zeigte, werden Positionen, die das Selbstbild der Gesellschaft vor dem Hintergrund der Geschlechtergerechtigkeit kritisch und erneut befragen, meist in anderen Ländern – vor allem der sog. Westlichen Welt – gezeigt und rezipiert.
Japan, seine politischen wie gesellschaftlichen Entscheidungsträger(:innen) und Institutionen, an die diese feministischen Appelle formuliert werden, übt sich dagegen in einer eilfertigen, freiwilligen Selbstzensur, wie zuletzt auf der Aichi-Triennale (Nagoya) 2019 geschehen, wo die Skulptur „Statue of Peace“ vonKIM Seo-kyung und KIM Eun-sung nach anonymen Gewaltandrohungen gegenüber der Ausstellungsleitung nicht gezeigt werden konnte. Es öffnet sich in den beiden wirtschaftlich so erfolgreichen jungen Demokratien Südostasiens ein rückständiger Abgrund gesellschaftlich totgeschwiegener humaner Defizite. Dass „#me too“ in Ansätzen Süd-Korea, aber bisher Japan kaum erreicht hat, scheint eine logische Folge davon und verdeutlicht den Graben, der zwischen geschriebenem Recht und gelebten, gesellschaftlich verankerten, dominanten Normen besteht.
Das Ausstellungsprojekt „The 3rd Two“ des Art5 e.V. widmet sich drei Generationen international agierender japanischer, südkoreanischer und chinesischer Künstlerinnen, die sich intensiv mit dem Thema der eigenen Identität als Frau im sozialen Gefüge ihrer Lander auseinandersetzen. Tomiyama Taeko und Yoshiko Shimada wirken in ihrer Heimat und sind der Kritik an und der Ignoranz gegenüber ihren Werken direkt ausgesetzt, andere Künstlerinnen, wie Jane Jin Kaisen oder Siyoung Kim arbeiten aus einer distanzierteren Außenposition und versuchen neue, andere Konzepte von Weiblichkeit, so wie ihrer Bedeutung und Wertigkeit innerhalb ihrer Kulturen zu erstellen. Durch ihre Werke wird ein tiefer, berührender, manchmal auch verstörender Einblick in die Geschichte und in eine im Westen wenig bekannte oder wahrgenommene Gegenwart gegeben. Denn auch der Blick des Westens zelebriert viel zu oft das Wunschbild der „willfährigen Geisha“ als Exportschlager einer nordostasiatischen Mangakultur; ein Klischee, das zusätzlich die Arbeit der Künstlerinnen erschwert und belegt, wie wenig Respekt Frauen in ihrer eigenen, zeitgenössischen Kultur entgegengebracht wird.
In dem sich „The 3rd Two“ auf medial unterschiedliche Ansätze von 14 Künstlerinnen fokussiert und in deren künstlerische Strategien einführt, sollen die Mechanismen der patriarchalen Gesellschaften mit künstlerischen Mitteln aufgezeigt und Perspektiven eines kritischen Blicks eröffnet werden. In dieser aktuellen 3rd Wave des Feminismus werden auch die neuen vom Westen unabhängigen Konzepte und Formulierungen einer eigenen asiatischen weiblichen Identität laut. Das Ausstellungsprojekt soll diesen konzentrierten, intensiven Stimmen eine starke Plattform bieten, die den feministischen Künstlerinnen in ihren Ländern zumeist verwehrt bleibt und unterstützt die wenigen klar und offensichtlich feministisch formulierten Ausstellungen der letzten Jahre.
Wie notwendig es ist, diese Bewegung zu verstärken, zeigt die momentane Entwicklung in Süd-Korea, in dem 2022 von den „wütenden jungen Männern“ ein Präsident gewählt wurde, der das Ministerium für Geschlechtergerechtigkeit und Frauen einseitig modifiziert, so dass ein großer Rückschritt für das gerade erst Erreichte droht. „The 3rd Two“ macht sich zum Ziel, einen prägnanten Kommentar zu dieser demokratiegefährdenden Situation zu leisten, sie erneut in ihrer Brisanz im Westen sichtbar zu machen und im Umkehrschluss auch den im Westen als so sicher geglaubten Fortschritt im Bereich Feminismus und LGBQ erneut zu befragen.
Für das Rahmenprogramm sind Vorträge, ein Symposium, Artist Talks der teilnehmenden Künstlerinnen, Kurator:innenführungen und eine Performance geplant. Ein Ausstellungsbuch ist vorgesehen.