Dazwischensein
Im Jahr 2024 setzt ,Dazwischensein’ den gedanklichen Überbau für neun kurze, künstlerische Einzelpräsentationen, die das Thema in seinen verschiedenen Aspekten untersuchen. Dazwischensein kann ein Gedanke, Zustand oder auch ein Gefühl sein. Wir wollen Dazwischensein als Möglichkeit begreifen, mehr zu sehen und verschiedene Sichtweisen gleichzeitig in sich zu erfassen.
Mit dem Jahresprogramm steht nicht nur die Förderung der Künste im Fokus, sondern auch die Intensivierung des Diskurses von Mensch und Gegenwart. Für den DG Kunstraum heißt das, sich in ein diskursives Spannungsfeld zu bewegen. Auf welche Weise kann ein Ausstellungsraum auf die Entwicklungen einer Gesellschaft reagieren? Wie entsteht ein einladendes Umfeld, sodass Menschen ins Gespräch kommen, neue Ideen und Perspektiven entwickelt werden können oder man einfach nur ein wenig die Seele baumeln lassen kann? Die Kunst hat das Potential uns ins Ungewisse zu leiten und Fragen aufzuwerfen. Mit ‚Dazwischensein‘ möchten wir diesen Fragen nachgehen und einen Vermittlungsraum schaffen, der Ausstellungsraum bleibt, aber auch zum Verweilen einlädt.
Die vorhangähnliche, im Verlauf variierende Intervention ‚Hemdchen´ von Bettina Khano teilt die Räumlichkeiten in einen Diskursraum und den Möglichkeitsraum mit Werken von neun Künstler*innen. Der Diskursraum lädt mit seinen eigens dafür konzipierten Sitzmöbeln ein, sich mit dem kuratierten Filmprogramm und dem wechselnden Buchangebot auseinanderzusetzen. In diesem Raum laden wir auch zu Gesprächen mit jeweils einem*r Geisteswissenschaftler*in ein. Hierbei wird ,Dazwischensein‘ aus verschiedenen Warten besprochen, darunter Intersektionalität, Denken & Fühlen sowie (Un-) Kontrollierbares vor allem im Hinblick auf die Beziehung Mensch und Natur.
Bettina Khano 19. Januar bis 15. Februar
Simona Andrioletti 23. Februar bis 21. März
Viron Erol Vert 29. März bis 25. April
Andrea Wolfensberger 3. Mai bis 29. Mai
Manuela Illera 7. Juni bis 4. Juli
Katrin Bittl 12. Juli bis 8. August
Sandra Boeschenstein 6. September bis 2. Oktober
Judith Egger 11. Oktober bis 7. November
Cana Bilir-Meier 15. November bis 12. Dezember
Eröffnungen jeweils am Vorabend ab 18 Uhr bis 21 Uhr
Gesprächspartner*innen
Simon Biallowons, Dr. Claudia Büttner, Dr. Michael Hirsch, Thorsten Nolting, Prof. Dr. Daria Pezzoli-Olgiati, Prof. Dr. Boris Previšić, Carlos Maria Romero aka Atabey, Dr. Ulrich Schäfert, Christian Uhle.
Filmprogramm
Thomas Bratzke, Lion Bischof, Franziska Cusminus, Empfangshalle, Philipp Gufler, Manaf Halbouni, Manuela Illera, Karen Irmer, Sven Johne, Yulia Lokshina, Judith Neunhäuserer, Nnenna Onuoha, Sonya Schönberger u.a..
Instagram: https://www.instagram.com/dg_kunstraum/
Facebook: https://www.facebook.com/DGKunstraum/
Vimeo: https://vimeo.com/user111369832
Website: www.dg-kunstraum.de
Dazwischensein 9
Cana Bilir-Meier
Filmprogramm: Cana Bilir-Meier, Talya Feldman, Yulia Lokshina
Initiative in Remembrance of Yaya Jabbi
Ausstellung von 15. November bis 12. Dezember 2024
Eröffnung Donnerstag, 14. November 2024, 18 bis 21 Uhr
Wie können wir unsere eigenen Geschichten erzählen, erinnern und weiterschreiben durch Gedichte, Körperbewegungen, Rituale, Tanz und Musik? Lässt sich Erinnerung im Körper speichern und wie können wir diese an die nächsten Generationen weitergeben? Anhand des Theaterstücks Düşler Ülkesi aus dem Jahr 1982 von Erman Okay das Alltagserfahrungen, Hoffnungen und Wünsche von migrantisierten Menschen in Deutschland betrachtet, möchten wir in dieser Performance Themen aus dem Stück aufgreifen, in Dialog dazu treten und weiter darüber nachdenken.
Auf Einladung der Künstlerin Cana Bilir-Meier werden am zur Eröffnung der Ausstellung die vier Münchner Akteuer*innen İlayda Akbaba, Nihan Devecioğlu, Sezgin İnceel und Serdar Yolcu in unterschiedlichen Performances mittels Tanz, Musik, Sound und Körperarbeit ihre Perspektiven auf das Erinnern, Resilienz und das Nicht-Vergessen-Lassens mit dem Publikum teilen.
Filmprogramm im Möglichkeitsraum von der ,Initiative in Remembrance of Yaya Jabbi’
Cana Bilir-Meier (*1986 in München) lebt und arbeitet in München und Wien. Sie studierte Kunst und Digitale Medien sowie Film und Kunstpädagogik an der Akademie der bildenden Künste in Wien und an der Sabancı-Universität in Istanbul. Sie arbeitet als Filmemacherin und Künstlerin sowie in Kunst- und Kulturvermittlungsprojekten. Ihre filmischen, performativen und textbasierten Arbeiten bewegen sich an den Schnittstellen zwischen Archivarbeit, Textproduktion, historischer Forschung, zeitgenössischer Medienreflexivität und Archäologie. Sie ist Mitbegründerin der Initiative zum Gedenken an Semra Ertan und Co-Herausgeberin des Gedichtbandes „Mein Name ist Ausländer – Benim Adım Yabancı“. 2021 war sie Vertretungsprofessorin für Kunstpädagogik an der Akademie der Bildenden Künste München.
Gesprächspartner: Simon Biallowons (*1984) ist studierter Philosoph, Journalist und Buchautor. Als Reporter war er weltweit tätig, seine Bücher beschäftigen sich in erster Linie mit philosophischen und religiös-spirituellen Themen. Er arbeitete als Korrespondent in Rom, lebte im Nahen Osten und berichtete als Reporter für verschiedene Medien aus vielen Ländern. Biallowons ist Verfasser mehrerer Bestseller und derzeit Geschäftsführer und Cheflektor des Herder Verlages.
Talya Feldman (*1990, Denver, Colorado) ist eine zeitbasierte Medienkünstlerin aus Denver, Colorado. Sie erwarb einen BFA an der School of the Art Institute of Chicago und ist derzeit Doktorandin an der Hochschule für bildende Künste Hamburg. Sie hat in Chicago, New York, Hamburg, Halle (Saale), Frankfurt und Berlin ausgestellt. Feldman wurde 2021 mit dem DAGESH-Kunstpreis für ihre Klanginstallation ,The Violence We Have Witnessed Carries a Weight on Our Hearts‘ im Jüdischen Museum in Berlin ausgezeichnet und hat für ihre Projekte gegen rechten Terror in Zusammenarbeit mit aktivistischen und forschungsbasierten Netzwerken weltweite Anerkennung erhalten.
Yulia Lokshina (*1986 in Moskau, Russland) studierte Dokumentarfilmregie an der Hochschule für Fernsehen und Film München. Ihre Film- und Videoarbeiten beschäftigen sich mit der Interferenz sozialer Umgebungen und ihrer Protagonist*innen. Ihr Abschlussfilm – gleichsam künstlerisches wie politisches Projekt – ,Regeln am Band, bei hoher Geschwindigkeit‘ befasst sich mit Leiharbeit und Arbeitsmigration aus dem europäischen Osten in Deutschland, Fragen der gesellschaftlichen Teilhabe und des Klassenbewusstseins und wurde mit dem Max Ophüls Preis für den besten Dokumentarfilm 2020 ausgezeichnet. Ihre Arbeit fragt kritisch: Wie sprechen wir über Dinge, die uns angehen? Wer trägt für was Verantwortung? Was wird zu einem Thema? Sie arbeitet im Grenzbereich von Film und Wissenschaft am Forum Internationale Wissenschaft Bonn, sowie in offenen Formationen mit befreundeten Künstler*innen.
Initiative in Remembrance of Yaya Jabbi Die Initiative in Gedenken an Yaya Jabbi setzt sich für eine lückenlose Aufklärung der Umstände seines Todes ein und fordert aktives Erinnern, öffentliche Wahrnehmung und Anerkennung des Todes von Yaya Jabbi ein und setzt sich zusammen aus Freund*innen und Familie von Yaya Jabbi und Aktivist*innen aus verschiedenen antirassistischen und antifaschistischen Zusammenhängen.
Filmprogramm
Cana Bilir-Meier
This Makes Me Want to Predict The Past, 2019
Super 8-Film, digitalisiert, 16 Minuten
Cana Bilir-Meier (Regie), Aleyna Osmanoğlu und Sosuna Yıldız (Protagonistinnen), Lichun Tseng (Kamera), Zühal Bilir-Meier (Casting Direktorin), Nihan Devecioğlu (Musik)
Talya Feldman
Elegy, 2020
Einkanalvideo, 6 Minuten
Tirza Ben-Zvi (Tanz & Choreographie), Christiany Erler, Paul McKenzie, Muhammad Nouman (Stimmen),
Text aus Aussagen von Überlebenden, Halle
Im Gedenken an Jana L. & Kevin S.
Yulia Lokshina
Tage der Jugend, Deutschland, 2016
Film, 30 Minuten
Zeno Legner (Kamera), Philipp Scholz und Andrew Mottl (Ton), Yulia Lokshina und Manon Falise (Schnitt), wirFILM Bertolone & Ehlayil und HFF München (Produktion), Isabelle Bertolone, Marius Ehlayil und Hochschule für Fernsehen und Film München (HFF) (Produzent*innen)
Programm
Eröffnung mit Perfomance
Donnerstag, 14. November 2024, 18 bis 21 Uhr
19 Uhr
Begrüßung und Einführung
Performance mit İlayda Akbaba, Cana Bilir-Meier, Nihan Devecioğlu, Sezgin İnceel und Serdar Yolcu
Workshop mit dem Tänzer, Choreographen und Politikwissenschaftler Serdar Yolcu
Mittwoch, 20. November 2024, 16 bis 17.30 Uhr
Cana Bilir-Meier im Gespräch mit Serdar Yolcu, 18 Uhr
Künstleringespräch
Dienstag, 26. November 2024, 19 Uhr
Finissage mit Musik
Donnerstag, 12. Dezember 2024, 19 Uhr
Dazwischensein 8
Judith Egger
Filmprogramm: Fabian Hesse & Mitra Wakil
Ausstellung von 11. Oktober bis 7. November 2024
Eröffnung Donnerstag, 10. Oktober 2024, 18 bis 21 Uhr
„Umhöhlt und von Dunkelheit umschlossen, Erdgeruch in der Nase, entzünde ich ein Feuer. Meine Wurzelhände wachsen tief, während der Geist weite Räume und Zeiten durchwandert bis zum Ursprung (kommen wir nicht alle aus einer Höhle?). Es drängt mich raus und ich lerne Tag und Nacht kennen, den Regen und die Energie der Sonne. Mir wachsen Blätter, Blüten und Früchte bis alles vermorscht und ich zurückkehre ins Dunkel, bereit für den nächsten Zyklus.“ Judith Egger
Judith Egger (*1973) lebt und arbeitet in München. Egger absolvierte eine Ausbildung zur Holzschnitzerin in Oberammergau und studierte Kommunikationsdesign an der FH Augsburg sowie am Royal College of Art in London. Unkontrolliertes organisches Wachstum, parasitäre Organismen und radikale Transformationsprozesse gehören zu ihren Forschungsgebieten – seit 2004 recherchiert sie unter anderem als Direktorin des parasitären Instituts für Hybristik und empirische Schwellkörperforschung die alles antreibende Lebenskraft, die Schwellkraft, die jedem Organismus innewohnt und die der Mensch in letzter Konsequenz nicht kontrollieren kann. Sie plädiert für eine neue Beziehung mit allem Lebendigen, welche nicht von Dominanz, Trennung und Unterwerfung geprägt ist, sondern vom Wissen über die gegenseitige Abhängigkeit und von tiefer Verbundenheit. Dabei bewegt sie sich mit Vorliebe in den Grenzbereichen von bildender Kunst, Installation und Performance. In Dazwischensein 8 wird Judith Egger an ihre Videoperformance-Reihe ,Transmissions‘ anknüpfen. Nachdem sie seit 2018 mit Pflanzen, Tieren, dem Wasser und dem Wind performativ Kontakt aufgenommen hat, wendet sie sich nun dem Feuerelement zu. Die Kraft des Feuers steht für radikale Transformation, für ein maximales Dazwischen und genau diesen Vorgang möchte sie künstlerisch ausloten (ohne dabei zu verbrennen).
Gesprächspartner: Thorsten Nolting (*1964) ist studierter Theologe und arbeitet als Pfarrer, Publizist und Ausstellungsmacher. Er lehrte Philosophie im Fachbereich Grafikdesign an der Hochschule Düsseldorf und war bis 2022 Vorstandssprecher der Diakonie München und Oberbayern. Aktuell ist Nolting Geschäftsführer des Bethels im Norden und Redakteur der Zeitschrift Kunst und Kirche – Magazin für Kritik, Ästhetik und Religion.
Fabian Hesse (*1980 in Augsburg) ist ein interdisziplinärer Künstler, der sich mit digitaler Fertigung beschäftigt. In seiner Praxis konzentriert sich Hesse auf das Tech-Wissen der digitalen Produktion und Materialtransformationen im Zuge des technologischen Wandels. Er nutzt 3D-Druck, Modellierungsverfahren und Algorithmen, aus denen er abstrakte Skulpturen, performative Situationen, Partituren und experimentelle Workshop-Formate schafft. Unter dem Namen Hesse & Wakil arbeitet er eng mit Mitra Wakil (*1975 in Kabul/Afghanistan) zusammen. In seinen experimentellen Formaten erkundet Hesse neue Ansätze für soziale, materielle und strukturelle Veränderungen der Gesellschaft im Zuge der rasanten Entwicklung der Technik. Er nutzt die Möglichkeiten von Technologien und Materialien, um die Auswirkungen des Digitalisierungsprozesses auf Kunst und Gesellschaft zu untersuchen. Dabei reflektiert er Themen wie Mensch-Maschine-Interaktion, Copy, Glitch, Visualisierung und das Verbergen von Informationen. 2014 bis 2016 war Hesse Kurator bei Lothringer13_Florida in München. Von 2018 bis 2020 hatte Hesse einen Lehrauftrag an der Hochschule für Bildende Künste HFBK, seit 2020 ist er Professor an der HGB Leipzig.
Filmprogramm: Fabian Hesse & Mitra Wakil
Programm
Eröffnung, Donnerstag, 10.Oktober 2024, 18 bis 21 Uhr
Einführung 19.30 Uhr
Judith Egger im Gespräch mit Thorsten Nolting, Donnerstag, 17. Oktober 2024, 19 Uhr
Finissage mit Musik, Donnerstag, 7. November 2024, 19 Uhr
Dazwischensein 7
Sandra Boeschenstein
(Möglichkeitsraum)
Lion Bischof
(Filmprogramm)
Ausstellung von 6. September bis 2. Oktober 2024
Eröffnung Donnerstag, 5. September 2024, 18 bis 21 Uhr
Sandra Boeschenstein erstellt für den DG Kunstraum eine ortsspezifische Raumzeichnung, die Objekte und Zeichnungen auf Papier umfasst. Sie begeht damit die Grenzbereiche zwischen Fassbarem und Unfassbarem, zwischen Bild und Sprache, zwischen epistemischen und poetischen Qualitäten. Im Zentrum ihrer Aufmerksamkeit stehen die vielfältigen Übergänge zwischen Wahrnehmen und Denken.
Als Teil eines größeren Verbundprojektes nähert sich ‚Dazwischensein 7‘ künstlerisch an das inter- und transdisziplinäre Forschungsprojekt ‚Grenzgänge‘ an, mit Fachleuten aus der Religionswissenschaft, der Kultur- und Literaturwissenschaft, der Theologie, Philosophie, Ethnologie und Geschichte, die ausgewählte Facetten des Verhältnisses von Religion und den Alpen untersuchen. Das Thema wird im intensiven Austausch mit Musik, Kunst und Fotografie erforscht. Im Rahmen von Dazwischensein 7 wird die Publikation ,Grenzgänge – Religion und die Alpen' präsentiert.
Sandra Boeschenstein (*1967 in Zürich) lebt und arbeitet in Zürich. Boeschenstein studierte zunächst Philosophie und Kunstgeschichte an der Universität Zürich und wechselte nach zwei Jahren ins Kunststudium an die Hochschule der Künste Bern. Sie verbrachte viele Stipendienaufenthalte in u.a. Stuttgart, Berlin, Paris, Bukarest oder São Paulo. Ihr Werk umfasst Zeichnungen auf Papier sowie raumgreifende Zeichnungen in situ. Sie begreift das Zeichnen als ihr primäres Erkenntniswerkzeug und begeht damit die Grenzbereiche zwischen Fassbarem und Unfassbarem, zwischen Bild und Sprache, zwischen epistemischen und poetischen Qualitäten. Im Zentrum ihrer Aufmerksamkeit stehen die vielfältigen Übergänge zwischen Wahrnehmen und Denken. Boeschenstein arbeitet mit den Aufbau- und den Zerfallsenergien von Bedeutungen und macht den – wie sie es nennt - „Wackelkontakt zwischen Sprache und Materie“ erfahrbar. „Wann ist etwas und wie bekommt es Bedeutung? Wie berühren sich Situation, Bild und Sprache? Wie sieht eine Erkenntnis aus, die zwischen Material, Bild und Sprache winkt und nicht weiter extrahierbar ist?“ sind zentrale Fragen die ihr Schaffen prägen. Boeschensteins Werke wurden international ausgestellt, u.a. 2009 Aargauer Kunsthaus, 2009 Kunsthalle Düsseldorf, 2015 Arter Istanbul, 2016 Hamburger Kunsthalle, 2022 CEUMA São Paulo und Museum zu Allerheiligen Schaffhausen.
Gesprächspartnerin: Prof. Dr. Daria Pezzoli-Olgiati (*1966) lehrt und forscht in Religionswissenschaft und Religionsgeschichte, seit 2016 an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Sie interessiert sich für das Verhältnis von Religion und Medien, insbesondere dem Film und der Kunst. Ihre Veröffentlichungen und Forschungsschwerpunkte behandeln unterschiedliche Aspekte von Religion als ein Phänomen, dass die heutige Kultur stark prägt.
Lion Bischof (*1988 in München) studierte Dokumentarfilm an der Hochschule für Fernsehen und Film in München und erhielt ein Stipendium der Studienstiftung des deutschen Volkes. Im Regie-Kollektiv Motelfilm entstanden die Filme ,Station: Pathologie‘, ,Hinterwelten‘, und ,Tara‘, der auf der Berlinale 2016 gezeigt wurde. Im Jahr 2018 wurde sein Dokumentarfilm ,Germania‘ (Regie & Produktion) auf dem Max Ophüls Festival gezeigt und prämiert. Er lief 2019 in den Kinos. Zudem ist er als Kameramann und Videokünstler tätig und arbeitete unter anderem mit Falk Richter und Jan-Christoph Gockel an den Münchner Kammerspielen, der Schaubühne Berlin und dem Schauspiel Frankfurt sowie dem Nationaltheater in Straßburg an Theaterproduktionen.
Filmprogramm
Lion Bischof
Passing, 2023
Videoinstallation mit acht Kurzfilmen:
Refrain (4 Minuten), Gletscher (5 Minuten), Weatherbells (5 Minuten), Gipelfkreuz (6 Minuten), Il Curius Pader (5 Minuten), Descent (7 Minuten), Tunnel (10 Minuten), Watchtowers (6 Minuten)
Programm
Eröffnung
Donnerstag, 5. September 2024, 18 bis 21 Uhr
19 Uhr Einführung und Buchvorstellung
,Grenzgänge – Religion und die Alpen'
Sonderöffnungszeiten zur Open Art
Freitag, 6. September 2024, 12 bis 21 Uhr
Samstag, 7. September 2024, 11 bis 18 Uhr
Sonntag, 8. September 2024, 11 bis 18 Uhr
Sandra Boeschenstein im Gespräch mit Prof. Dr. Daria Pezzoli-Olgiati
Mittwoch, 11. September 2024, 19 Uhr
Finissage mit Musiker*innen der Hochschule für Musik und Theater München
Donnerstag, 2. Oktober 2024, 19 Uhr
Dazwischensein 6
Katrin Bittl (Möglichkeitsraum)
Thomas Bratzke
Franziska Cusminus
(Filmprogramm)
Ausstellung von 12. Juli bis 8. August 2024
Eröffnung Donnerstag, 11. Juli 2024, 18 bis 21 Uhr
Katrin Bittl beschäftigt sich in ihrer künstlerischen Arbeit mit gesellschaftlichen Idealbildern. Sie selbst ist eine behinderte Frau. Ihr wäre es am liebsten zu sagen, dass alle Menschen funktional divers sind. Während ihres Studiums an der Akademie der Bildenden Künste sind viele Selbstporträts entstanden in unterschiedlichen Medien: Miniaturgemälde oder auch per Video dokumentierte Performances. Für die Ausstellung im DG Kunstraum wählt sie einen neuen Weg. Sie hat mit Hilfe einer KI Bilder generiert, die aus einem persönlichen Foto aus ihrem Archiv ein Van Gogh Gemälde generieren. Dabei war die KI nicht in der Lage ihren Körper im Rollstuhl als menschlichen zu erkennen, sondern hat aus ihr eine Pflanze erstellt, meist eine Sonnenblume. Damit schließt die KI ungeplant an ihre Arbeitsserie ,Mein Leben als Pflanze‘ an. Katrin Bittl entwickelt die Schlussfolgerungen der KI für eine neue eigene Arbeit weiter, die sie digital zeichnet. Sie kreiert ein neues Pflanzenwesen, aber mit der Struktur der menschlichen Haut.
Hermann Pitz über die Arbeit seiner Studentin: „Katrin Bittl setzt sich mit dem menschlichen Körper auf eine fantastische Weise auseinander. Besonders gut finde ich auch, dass die Bilder auch unabhängig vom politischen Diskurs funktionieren. Sie brauchen ihn nicht zwingend.“
Katrin Bittl (* 1994 in München) lebt und arbeitet in Dachau. Sie studierte bis 2023 an der Akademie der Bildenden Künste in München. In ihren Arbeiten beschäftigt sie sich mit gesellschaftlichen Idealbildern und Normvorstellungen. Sie untersucht ihren eigenen Körper, als Frau mit Behinderung mittels Video, Performance und Animation. Es entstehen intime Räume, durch private Gegenstände und Möbelstücke, die sie in Installationen einbezieht und ihre biographische Arbeit unterstreichen. Sie verortet ihren eigenen Körper in der Pflanzenwelt und wirft Fragen über den Fürsorgebegriff, Care-Arbeit und die Familie auf. In Zeichnung und Malerei erforscht sie Körpernormierungen, die manipuliert und dekonstruiert werden, indem sie diese skaliert, übermalt oder in neue Kontexte stellt. Außerdem ist sie als freie Autorin tätig und schreibt zu den Themen Intersektionalität von Frauen mit Behinderung, Kunst und Inklusion. Zuletzt waren ihre Arbeiten in der Galerie des Bezirks Oberbayern (,We Are Plants‘) und im Stadtmuseum München (,[K]ein Puppenheim‘) ausgestellt.
Gesprächspartner: Dr. Ulrich Schäfert (*1973) ist Theologe, Kunsthistoriker und gelernter Kirchenmaler und staunt über die Weite und Tiefe, die in der Begegnung dieser Felder liegt. Schäfert ist Leiter des Fachbereichs Kunstpastoral der Erzdiözese München und Freising mit Sitz in St. Paul und 1. Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für christliche Kunst e.V.
Thomas Bratzke aka ZASD (*1977 in Berlin) studierte Bildhauerei - Freie Kunst an der Kunsthochschule Berlin Weissensee und Kunst im Kontext mit Schwerpunkt auf den öffentlichen Raum an der UDK Berlin. ZASD war seit Mitte der 90er Jahre Teil des kulturellen Phänomen Graffiti und Writing in Berlin und hat von dort ausgehend bildhauerische, installative und performative Arbeiten entwickelt. Bei dem Vorhaben Writing kritisch zu erforschen, um die künstlerische Qualität des Writing herauszuarbeiten, arbeitete er seit 1997 eng mit seinem Partner AKIM (Berlin) sowie mit verschiedenen Crews und Kollektiven aus der Berliner Writingszene zusammen. Seine seit Anfang der 2000er Jahre autonom in die Stadt eingefügten, plastischen 3D Tags sowie das von ihm initiierte Projekt ,City of Names‘, welches die darauf folgende Berliner Generation des Writings inspirierte. Seit 2013 arbeitet er an der Weiterentwicklung dreidimensionaler Schriftzüge im Rahmen des Projektes ,Half Half Paintings‘ in Zusammenarbeit mit Keez Duyves, PIPS:lab (NL). Seit 2019 ist er Teil der Hybrid Sculptors.
Franziska Cusminus (*1991 in Weilburg) studierte bis 2022 Medienkunst an der Kunsthochschule Mainz. Cusminus verbindet Videoinstallation und Malerei gekonnt miteinander. Ihre für die Videos aufwendig gebauten Installationen als Bewegungsraum der gefilmten Akteure verleihen ihren Arbeiten eine absurde Aura, die einen nicht loslässt. Cusminus untersucht mit vollem Körpereinsatz, wie sich unterschiedliche Materialien in Verbindung mit dem menschlichen Körper verhalten. Die Videos zeigen den performativen Umgang mit diversen Materialien, beispielsweise mit Zucker, Salzteig oder Metallkonstruktionen: Der Mensch, der versucht, sich bestimmten Strukturen anzupassen, sich daran aufreibt, verformt, so selbst zu einer Art Skulptur wird, ein fragiler organischer Körper in Bezug zu eher hartem, statischem Material. Die Abhängigkeit des Menschen in einem vorgegebenen System wird zum Thema, Lebensformen werden hinterfragt, welche ihn zum Funktionieren zwingen. 2022 erhielt sie den Mainzer Kunstpreis und 2023 das Georg-Meistermann-Stipendium.
Programm
Eröffnung Donnerstag, 11. Juli 2024, 18 bis 21 Uhr
Begrüßung und Einführung 19.30 Uhr
Sabine Straub, Geschäftsführender Vorstand Benita Meißner, Kuratorin
Katrin Bittl im Gespräch mit Dr. Ulrich Schäfert
Dienstag, 16. Juli 2024, 19 Uhr
Finissage mit Ruth Geiersberger
Donnerstag, 8. August 2024, 19 Uhr
Dazwischensein 5
Manuela Illera (Möglichkeitsraum)
Manuela Illera
Philipp Gufler (Filmprogramm)
Ausstellung von 7. Juni bis 4. Juli 2024
Eröffnung Donnerstag, 6. Juni 2024, 18 bis 21 Uhr
Im Jahr 2024 setzt ,Dazwischensein’ den gedanklichen Überbau für neun kurze, künstlerische Einzelpräsentationen, die das Thema in seinen verschiedenen Aspekten untersuchen. Dazwischensein kann ein Gedanke, Zustand oder auch ein Gefühl sein. Wir wollen Dazwischensein als Möglichkeit begreifen, mehr zu sehen und verschiedene Sichtweisen gleichzeitig in sich zu erfassen.
Die für den Möglichkeitsraum eigens entwickelte Installation ‚Piedras Lunares‘ (Mondsteine) von Manuela Illera baut thematisch auf der spirituellen Eroberung Lateinamerikas auf, die eng mit der spanischen Konquista verknüpft ist. Die spanische Krone, die die Reise von Kolumbus finanziert hatte, bekam die neuen Länder in Südamerika 1493 durch zwei päpstliche Bullen zugesprochen: durch die Eximiae devotionis und die Inter Caetera divinae, in denen Papst Alexander VI. den speziellen Auftrag formulierte, aus den indigenen Völkern Mitglieder der Kirche zu machen und sie an den Segnungen des Evangeliums teilhaben zu lassen. Die aus Kolumbien stammende Künstlerin baut mit ihrer Arbeit auf das Projekt ‚Lenguas Solares‘ (Sonnensprachen) auf, welches sie jüngst für das Istituto Cervantes in München entwickelt hat. Es ist das zweite Projekt in einer Reihe dekolonialer Praktiken, die speziell für den Ort entwickelt wurden.
Manuela Illera (*1988 in Bogotá, Kolumbien) lebt und arbeitet in München. Sie studierte Malerei in Buenos Aires und Bildende Kunst an der Universidad Javeriana in Bogotá. Bis 2023 studierte sie Akademie der Bildenden Künste in München bei Prof. Julian Rosefeldt. Illeras Werke sind eng verwoben mit ihrer feministischen Praxis, die durch die migrantische Perspektive geprägt ist. Ihre interdisziplinäre Arbeit beschäftigt sich mit zeitbasierten Medien und der Verbindungen aus Klang- und Darstellenden Künsten. Dabei verarbeitet sie Themen wie Dekolonialität, Queerness, Körper und subversive Identitäten. Ihre Musik, Filme, kollektive Arbeiten, soziale Projekte und Erlebnisdesigns untersuchen die Rolle von Weißsein, Kapitalismus und patriarchaler sozialer Konformität in der Gesellschaft. Illera ist Mitbegründerin der Band ,Cosmica Bandida‘, Co-Direktorin des dekolonialen Musikfestivals ,La Retornona‘ in Bogotá und produziert den feministischen Podcast ,Extravagant Mortals‘. Ihre Ausstellungen und Performances waren international zu sehen, u.a. in Berlin, Mailand, Barcelona, Paris, Wien, Bogotá und Buenos Aires.
Gesprächspartner*in: Atabey Mamasita (bürgerl. Carlos Maria Romero *1979) ist Künstler*in und Kurator*in mit Fokus auf Praktiken des kulturellen Erbes, die für historisch marginalisierte Communitys und sozialen Zusammenhalt relevant sind. Unter anderem war Atabey Co-Kurator*in am Museu de Arte do Rio in Rio de Janeiro und Kurator*in des Contemporary Dance University Festivals in Bogotá. Aktuell ist Atabey Kurator*in für Performative Praktiken im Haus der Kulturen der Welt in Berlin.
Philipp Gufler (*1989 in Augsburg) lebt in Amsterdam und München und studierte an der Akademie der Bildenden Künste in München. In seiner künstlerischen Arbeitsweise vereint Philipp Gufler verschiedene Medien. Darunter fallen Siebdrucke auf Stoff und Spiegel, Künstlerbücher, Performances und Videos. In der Werkreihe der ,Quilts‘ nimmt der Künstler Bezug auf Künstler, Schriftsteller, Zeitschriften und verlorene queere Räume. Darüber hinaus spielen der menschliche Körper und Aids eine wichtige Rolle in seinen Kunstwerken, zum Beispiel bei den Videoinstallationen ,The Responsive Body‘ oder ,BecomingRabe‘. Er hatte Einzelausstellungen im Kunstverein Göttingen, Françoise Heitsch, München, BQ, Berlin und Kevin Space, Wien, sowie Gruppenausstellungen im Haus der Kunst, München, Centraal Museum, Utrecht und Haus der Kulturen der Welt, Berlin. 2015 erhielt er den Bayerischen Kunstförderpreis, 2020 den Medienpreis der Deutschen AIDS-Stiftung und 2021 den niederländischen Royal Award for Painting. Er ist aktives Mitglied im selbstorganisierten Forum Queeres Archiv München.
Filmprogramm
Manuela Illera Animal Ventus, 2023 Film, 30 Minuten
Philipp Gufler
Lana Kaiser, 2020 Film, 13 Minuten Rory Pilgrim (Musik), Julia Swoboda (Kamera), Nathalie Bruys (Ton), Theo Cook (Grading), Hammann Von Mier Verlag (Begleitende Publikation) In Erinnerung an Lana Kaiser (1985–2018)
Programm
Eröffnung Donnerstag, 6. Juni 2024, 18 bis 21 Uhr
Begrüßung und Einführung 19.30 Uhr Dr. Richard Graupner, Geschäftsführender Vorstand Benita Meißner, Kuratorin
Manuela Illera im Gespräch mit Atabey Mittwoch, 26. Juni 2024, 19 Uhr Finissage mit Musik Donnerstag, 4. Juli 2024, 19 Uhr
Dazwischensein 4
Andrea Wolfensberger (Möglichkeitsraum)
Manaf Halbouni Judith Neunhäuserer (Filmprogramm)
Ausstellung von 3. Mai bis 29. Mai 2024
Eröffnung Donnerstag, 2. Mai 2024, 18 bis 21 Uhr
Im Jahr 2024 setzt ,Dazwischensein’ den gedanklichen Überbau für neun kurze, künstlerische Einzelpräsentationen, die das Thema in seinen verschiedenen Aspekten untersuchen. Dazwischensein kann ein Gedanke, Zustand oder auch ein Gefühl sein. Wir wollen Dazwischensein als Möglichkeit begreifen, mehr zu sehen und verschiedene Sichtweisen gleichzeitig in sich zu erfassen. Als Teil eines größeren Verbundprojektes nähert sich ‚Dazwischensein 4‘ künstlerisch an das inter- und transdisziplinäres Forschungsprojekt ‚Grenzgänge‘ an, mit Fachleuten aus der Religionswissenschaft, der Kultur- und Literaturwissenschaft, der Theologie, Philosophie, Ethnologie und Geschichte, die ausgewählte Facetten des Verhältnisses von Religion und den Alpen untersuchen. Das Thema wird im intensiven Austausch mit Musik, Kunst und Fotografie erforscht.
Andrea Wolfensberger hat für Dazwischensein 4 neue Werke ausgewählt, die im DG Kunstraum zum ersten Mal gezeigt werden. Ihre Setzung besteht aus zwei großen Skulpturen aus Wellpappe, einem Material mit dem sie seit vielen Jahren arbeitet und mit dem sie eine Übersetzung von Klang in Form entwickelt. Dabei entsteht eine Notation, eine Metasprache, die nur schwer rückführbar ist; eine Reaktion auf die Reduktion der Sprache in der digitalen Welt auf 0 und 1, auf Ja und Nein. Die Anatomie des Klangs fragt nach dem schöpferischen Potenzial von Sprache, nach dem Zusammenhang zwischen Wort und Materie, zwischen Welle und Körper, zwischen dem Jetzt und seinem bleibenden Widerhall. Für die langgestreckte Skulptur aus der Reihe ‚Zwischen Ja und Nein‘ nutzt die Schweizer Künstlerin die Tonspuren eines „Ja“ und eines „Nein“. Die hoch aufragende Skulptur vereint acht verschiedene Stimmen, die paarweise jeweils eine pro und eine contra Position einnehmen. Wolfensberger nimmt Bezug auf die Grundlage der Demokratie: die Debatte. Besonders in der Abgeschlossenheit der Schweizer Täler waren die Menschen darauf angewiesen gemeinsam Lösungen zu finden, der oppositionellen Argumentation zuzuhören, und so einen neuen Raum zu schaffen, der grösser ist als das einzelne „Ja“ und das einzelne „Nein“. Die Pro- und Kontra-Stimmen werden in Form von Schallwellen überlagert, so entstehen gekrümmte Flächen, das Konstruktionselement für den dreidimensionalen Körper. Durch die Schichtung unzähliger Kartonteile ergibt sich eine verwobene, aufstrebende Struktur, die von einer Seite an einen Schutzort, eine Schutzmantel Madonna erinnert und von den anderen Seiten die Formation von Felsspalten aufnimmt. Es entstehen Räume des Dazwischenseins, Räume neuer Möglichkeiten.
Während die Skulpturen das gesellschaftliche Miteinander reflektieren befassen sich die Papierarbeiten in der Ausstellung zeichnerisch mit der Symbiose von Pflanzen. Flechten sind Doppelwesen aus Algen und Pilzen, die wie die Bakterien zu den ersten Lebewesen auf unserem Planeten zählen. Flechten treten besonders in Lebensräumen mit extremen Klimabedingungen, wie den Bergen oder im Eis zum Vorschein, Regionen, die für höhere Pflanzen zu trocken, zu nährstoffarm oder zu kalt sind. Wie haben sie überlebt? Was können wir von ihnen lernen? „In dieser Symbiose aus Alge und Pilz wird die Grenze zwischen Individuum und Gemeinschaft eklatant verwischt. Aber erst in höchster Not schlangen sich die Hyphen um die Algen, und erst wenn diese unter großem Stress standen, ließen sie die Avancen geschehen“ (Robin Wall Kimmerer, Geflochtenes Süssgras, S.316).
Andrea Wolfensberger (*1961 in Zürich) lebt und arbeitet in Waldenburg und Zürich (CH) und ist Bildhauerin und Installationskünstlerin. Sie studierte an der École Supérieure d’Art Visuel in Genf. Im künstlerischen Diskurs zum Thema Natur bezieht Andrea Wolfensberger mit Skulptur, Video und Installationen eine sehr eigene, stringente Position, die naturwissenschaftliche Abstraktion und erzählerische Poesie vereint. Sie erhielt verschiedene Stipendien und Auszeichnungen sowie Residencies in Paris und Rom. Sie unterrichtet an der Hochschule der Künste Bern. Seit 1986 hatte sie zahlreiche Ausstellungen in der Schweiz, in Deutschland und Frankreich und realisierte Arbeiten im öffentlichen Raum und als Kunst am Bau.
Gesprächspartner: Prof. Dr. Boris Previšić (*1972) ist Professor für Kultur- und Literaturwissenschaften an der Universität Luzern sowie Direktor des Urner Instituts Kulturen der Alpen in Altdorf. Er publiziert und lehrt zum Verhältnis zwischen Literatur und Musik, zu Interkulturalität sowie zu Klimafragen. 2021 begründete Previšić das Online-Magazin Syntopia Alpina, das sich mit den Herausforderungen inden Alpen beschäftigt.
Filmprogramm
Manaf Halbouni beschäftigt sich in seiner künstlerischen Arbeit mit islamfeindlichen Äußerungen und der Angst vor Flüchtlingen in Deutschland. ‚Nowhere Is Home‘ ist ein bewegendes Zeugnis von Verlust, Widerstandsfähigkeit und Hoffnung für über 50 Millionen Vertriebene auf der ganzen Welt, die oft gezwungen sind, hastig ein paar wertvolle Habseligkeiten zusammenpacken, bevor sie einem drohenden Krieg, den Auswirkungen der Klimaerwärmung oder einem sonstigen Konflikt entkommen können.
Judith Neunhäuserer zeigt in ihrer Serie ‚Encounters‘, die 2022 in Spitzbergen entstanden ist, die Begegnung von Mensch und Eis in unterschiedlichen Perspektiven auf Natur. Die Auswirkungen der Klimaerwärmung im Anthropozän sind vor allem in den geologischen Extremregionen der Erde nachvollziehbar. So ist diese nicht nur in der Bergwelt der Alpen sondern auch in der Arktis eklatant präsent. Judith Neunhäuserer geht in ihrem roten Polaranzug eine spielerische Verbindung mit der Landschaft ein. Der Soundtrack für ‚Everything Flows‘ wurde in Konversation mit dem buddhistischen Mönch, Teemeister und national artist Daum (Gwangju) auf Koreanisch aufgenommen und von Hobin Kim simultan ins Englische übersetzt. Jihye Kim (Berlin) berichtet - auf Deutsch - in Reaktion auf eine der Szenen von eigenen Erfahrungen. Adrian Sölch (München) hat für ‚All Heat Is The Same‘ ein Musikstück komponiert.
Manaf Halbouni (*1984 in Damaskus, Syrien) lebt und arbeitet überall, wie er sagt. Halbouni studierte Bildhauerei an der Universität Damaskus und der Hochschule für Bildende Künste Dresden. Sein ,Fluchtauto‘ am Dresdner Theaterplatz, Schauplatz montäglicher Pegida-Versammlungen, hat den syrischdeutschen Künstler Manaf Halbouni bekannt gemacht. Nach der Teilnahme an der Biennale in Venedig wurden seine Werke im Victoria and Albert Museum und im Museum der bildenden Künste Leipzig präsentiert, wo er auch eines seiner Fluchtautos zeigte. Im Rahmen seiner Installation Monument ließ er in Dresden drei Busse vertikal aufstellen, die an den Krieg in Syrien erinnern und eine Botschaft des Friendens in die Welt tragen sollen.
Judith Neunhäuserer (*1990 in Bruneck, Italien) lebt in München und Mailand. In ihrer künstlerischen Praxis beschäftigt sie sich mit Abgrenzungsversuchen und ästhetischen und epistemischen Gemeinsamkeiten zwischen Wissenschaft und Religion. Dabei geht es beispielsweise um Mythen und Träume als Grundlage von Entdeckungen, die Ritualisierung von Forschungsprozessen sowie unterschiedliche Sprachen und Symbolsysteme zur Formulierung von Modellen der und für die Welt. Judith Neunhäuserer studierte Bildhauerei sowie Religions- und Kulturwissenschaften in München und Istanbul. Expeditionen führten sie zur Neumayer-Station III in der Antarktis, per Segelschiff nach Spitzbergen und über den Atlantik an Bord der CMA CGM Puget, zum spanischen Untergrundlabor LSC Canfranc und zu Archiven in Cambridge und London. Kürzlich ist sie aus Südkorea zurückgekehrt. Neben Ausstellungen präsentiert sie ihre Forschung in Vorträgen, Gesprächen und Publikationen wie der Zeitschrift Albedo 2018 und der Enzyklopädie Tekeli-li 2021.
Programm
Eröffnung Donnerstag, 2. Mai März 2024, 18 bis 21 Uhr
Begrüßung und Einführung 19.30 Uhr
Dr. Ulrich Schäfert,
1. Vorsitzender Benita Meißner, Kuratorin
Andrea Wolfensberger im Gespräch mit Prof. Dr. Boris Previšić
Mittwoch, 15. Mai 2024, 19 Uhr Finissage mit Musik von pre-art Mittwoch, 29. Mai 2024, 19 Uhr
Dazwischensein 3
Viron Erol Vert (Möglichkeitsraum)
Sonya Schönberger (Filmprogramm)
Ausstellung von 2. April bis 25. April 2024
Eröffnung Donnerstag, 28. März 2024, 18 bis 21 Uhr
Viron Erol Vert lädt dazu ein, den dritten Möglichkeitsraum des Jahresprogramms ‚Dazwischensein‘ als Entität und Körper wahrzunehmen, in dem Themen wie Migration und Adaption verhandelt werden können. In seinen Arbeiten, die vom Zustand und der Atmosphäre des Dazwischenseins geprägt sind, verwebt der Künstler verschiedene Kulturen, Materialien, Sprachen, Ausdrucksformen und auch Lebensauffassungen zu einer hybriden, komplementären Identität. Dies erwächst aus seiner eigenen interkulturellen Familie und Umgebung, da er zwischen Deutschland, der Türkei und Griechenland aufgewachsen ist. In seiner künstlerischen Praxis hinterfragt und untersucht der Berliner Künstler verschiedene Aspekte und Sichtweisen auf das Eigene und das Fremde.
Die ortsspezifische Installation besteht aus einem kleinen dreiseitigen Vintage Reisespiegel, der die Besucher*innen einlädt, das ‚Ich‘ im verdunkelten Raum zu verorten. Das Objekt aus den 1920-30er Jahren verkörpert durch seine Geschichte, die Themen des Reisens und der Migration. Der dreiseitige Spiegel taucht als Motiv immer wieder in der Kunstgeschichte auf. Auch Andy Warhol, dessen Selbstbildnisse von zentraler Bedeutung sind in seinem Werk, lässt sich mit einem dreiseitigen Spiegel ablichten. Ihn interessierte dabei die Neuerfindung der Identität und die Aufhebung der Subjektivität.
Die Zahl drei verkörpert in vielen Kulturen das Ganze, wie die Dreifaltigkeit. Drei steht aber auch in Verbindung mit Reflektionen zum ‚Selbst‘, wie im systemischen Modell von Sigmund Freud mit dem ‚Ich, Es und Über-Ich‘. Viron Erol Vert hat diesen dreiteiligen Spiegel mit den Wörtern ‚Else‘, ‚Where‘ und ‚From‘ versehen. Beim Blick in den Spiegel ergeben die Wörter, von den verschiedenen Ansichten gelesen, immer eine neue Bedeutung und Gewichtung. In den gegenseitigen Reflexionen erkennt man unendliche scheinende, sich reflektierende Lebenswege und ein Mäandern der Wörter, der Fragen und ihrer Antworten - letztlich unseres Selbst an sich.
Die aufkommenden Themen wie Migration und Zugehörigkeit werden durch die Klangcollage ‚A, Aleph, Alif...‘ flankiert. Zu hören ist die Stimme des Künstlers, der das Buchstabier-alphabet in sieben verschiedenen Sprachen rezitiert. Es sind die Sprachen mit denen Vert aufgewachsen ist. Hier spielt die Zahl sieben eine Schlüsselrolle, denn sie ist die Zahl der Suchenden, der Denker*innen, der Wahrheitssucher*innen oder auch ‚Gottes Zahl‘, die Zahl der Vollendung. Die Numerologie verbindet unterschiedlichste Kulturen, ihre Ursprünge gehen zurück auf Pythagoras und die Zeit zwischen 569 und 470 v. Chr.
Die Identität eines Menschen wird durch Sprache, Elternhaus und Kultur beeinflusst. Wenn Menschen ihre angestammten Orte verlassen und Grenzen überwinden, dann werden die Trennlinien, das Andere, deutlicher wahrgenommen. Grenzen eines Landes, eines kulturellen Selbstverständnisses oder eines Diskursfeldes lösen Fragen nach dem Innen und Außen, nach den möglichen Unterscheidungslinien zwischen Selbstbild und Fremdheit aus. Solche Aushandlungen berühren ernsthafte Fragen nach Identität, die entweder bestätigt und verfestigt oder auch pluraler und gespaltener entwickelt wird. Zutage treten die inneren Komplexitäten und Differenzen von Identitätskonstruktionen, sei es auf der Subjektebene oder der Ebene der Kollektive und Gemeinschaften, es ist ein Dazwischensein der Identitäten.
Viron Erol Vert (*1975 in Varel) lebt und arbeitet zwischen Berlin und dem mediterranen Raum. Vert studierte Modedesign an der ESMOD sowie der HTW Berlin, Bildende Kunst an der Royal Academy of Fine Arts in Antwerpen und Textil- und Flächendesign an der Kunsthochschule Berlin-Weißensee. In seiner künstlerischen Praxis hinterfragt er Identität und Affinität zu verschiedenen Aspekten und Sichtweisen des Eigenen und des Fremden. Seine persönliche Multikulturalität spielt in seinem Forschen eine Schlüsselrolle, ebenso wie die enge Verbindung zu verschiedenen Club-Kontexten Berlins. Zu seinen zahlreichen internationalen Einzel- und Gruppenausstellungen gehören u.a. ,Born in The Purple´, Kunstraum Kreuzberg, Berlin (2017), ‚Kösk & Kiosk´, Ruhr Ding: Schlaf, Urbane Künste Ruhr, Mülheim a.d.Ruhr (2023) und ‚The Hermit´, National Museum of Modern Art, EMST, Athen (2023). Bis vor kurzem war Vert Stipendiat der Akademie Schloss Solitude, Stuttgart.
Gesprächspartner: Christian Uhle ist Philosoph und lebt in Berlin. Er studierte Philosophie, Physik und Volkswirtschaftslehre. Als Wissenschaftler hat er zum Sinn des Lebens sowie gesellschaftlichen Transformationen geforscht und seine Perspektiven in zahlreichen Vorträgen und Gastbeiträgen öffentlich gemacht. Er war philosophischer Berater der Arte-Serie ,Streetphilosophy‘ sowie Host mehrerer Veranstaltungsreihen.
Filmprogramm
Sonya Schönberger
Berliner Zimmer – 3 Kapitel
ca. 11 Stunden
‚Hier leben‘ mit: Dagmara Genda, Annett Gröschner, Sonja Hornung, Christa Joo Hyun D‘Angelo, Elza Javakhishvili, Kallia Kefala, Silvina Der Meguerditchian, Nnenna Onuoha, Tanja Ostojić, Barbara Panther
‚Solidarisieren‘ mit: Karin Baumert, Werner Brunner, Renate Drews, Brezel Göring und Ringo
‚Mithalten’ mit: Hannah Kruse, Wolfgang Müller, Adrian Nabi, Rosemarie Richter und Sophia Tabatadze
Das Berliner Zimmer ist ein langzeitlich angelegtes Videoarchiv der Künstlerin Sonya Schönberger. Darin erzählen Berliner*innen von ihrem Leben in der Großstadt und ihren persönlichen Erinnerungen. Die Geschichten der Menschen und die Einblicke in die unterschiedlichen Orte einer Stadt transportieren nicht nur den Zeitgeist, sondern es werden auch solche Themen und zeitrelevante Fragen festgehalten, die zeigen, wer ‚wir‘ zu diesem spezifischen Zeitpunkt an diesem Ort sind. Dem zugrunde liegt die Überzeugung, dass das große Ganze sich im Kleinen widerspiegeln und hier auf eine sehr persönliche und empathische Weise bewusst gemacht werden kann.
Die Videointerviews bilden eine Sammlung realer Einzelgeschichten der Bewohner*innen Berlins. Das digitale, künstlerische Archiv der Gegenwart wurde 2018 gestartet und soll hundert Jahre lang fortgeschrieben werden. Die ausgewählten Themen ‚Hier leben‘ ‚Solidarisieren‘ und ‚Mithalten’ wurden im Hinblick auf das Jahresprogramm Dazwischensein ausgewählt und treten in Dialog mit der Setzung im Möglichkeitsraum von Viron Erol Vert.
Sonya Schönberger (*1975) lebt und arbeitet in Berlin. Schönberger studierte Ethnologie und Philosophie an Freie Universität Berlin, Europäischen Ethnologie an der Humboldt Universität Berlin sowie Experimentelle Mediengestaltung an der UdK Berlin. Heute bewegt sie sich als Künstlerin zwischen den Medien Fotografie, Installation, Theater, Sound, Publikation und Film. In ihrer Praxis setzt sie sich mit biografischen Brüchen vor dem Hintergrund politischer oder sozialer Umwälzungen auseinandersetzt. Quelle ihrer Arbeiten sind die Menschen, die in biografischen Gesprächen über sich berichten. So sind einige Archive entstanden, aber auch bereits existierende, zum Teil gefundene Archive fließen in ihre Arbeit ein.
Programm
Eröffnung
Donnerstag, 28. März 2024, 18 bis 21 Uhr
19.30 Uhr Begrüßung
Dr. Ulrich Schäfert, Geschäftsführender Vorstand
Videogruß zum Gründonnerstag
Eva Haller, Präsidentin der Europäische Janusz Korczak Akademie e.V.
Imam Belmin Mehic, Münchner Forum für Islam e.V.
Einführung Ausstellung
Benita Meißner, Kuratorin
(Karfreitag geschlossen)
Viron Erol Vert im Gespräch mit Christian Uhle
Mittwoch, 10. April 2024, 19 Uhr
Spring & Walk
Rundgang 1 mit Catrin Morschek
Samstag, 13. April 2024, 11 bis 18 Uhr
Finissage mit Musik von ‚Leonie singt‘ (Duo-Version)
Donnerstag, 25. April 2024, 19 Uhr
Weitere Informationen und aktuelle Termine finden Sie unter www.dg-kunstraum.de
Bitte kontaktieren Sie Daniela Lange bei Nachfragen zu Text- oder Bildmaterial telefonisch unter
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